Pascal Schärer - an der Startlinie

Ein verregnetes Wochenende Ende März. Im Strassberg bei Bülach stehe ich am Start des ersten nationalen Wettkampfes der Saison. Ich bin nervös, denn es ist der erste richtige Vergleich mit der Konkurrenz in diesem Jahr. Ich weiss, dass ich gut trainiert habe, und möchte zeigen, was ich kann. Doch wofür wird es beim Saisonauftakt reichen?


Fünf Monate zuvor

Die Basis für die Saison 2025 wurde während des Winters gelegt. Seit November investierte ich viele Stunden ins läuferische und technische Grundlagentraining. Der Startschuss dazu fiel am 4. November 2024 um 17:26 in Göteborg. Bereits beim ersten Dauerlauf der Saison hatte ich mein grosses Saisonziel fest im Blick: „Noch 326 Tage bis zum Weltcup in Uster“, lautete damals mein Kommentar auf Strava (soziales Netzwerk sportlicher Aktivitäten). Angetrieben von diesem Traum bin ich hochmotiviert ins Wintertraining gestartet und habe diesen dabei stets im Hinterkopf behalten.

Die ersten beiden Wochen dieses Basisblocks absolvierte ich noch in Göteborg, bevor ich Ende November zurück nach Hause reiste. Dieser Kulissenwechsel brachte auch einen neuen Trainingsalltag mit sich. Während ich in Schweden häufig auf kleinen Trails unterwegs war und die Intervalle quer durch den Wald oder auf dem Golfrasen stattfanden, lief ich in der Schweiz meistens auf Kieswegen, Asphalt oder der Laufbahn. Der Wochenplan in Göteborg beinhaltete nur wenige feste Trainingseinheiten und richtete sich viel mehr nach dem verfügbaren Trainingsangebot als hier zuhause, wo ich jede Woche mehr oder weniger das gleiche Programm absolvierte.


Arbeit am Fundament - im und neben dem Büro

Anfang Dezember 2024 begann ich mein Hochbau-Praktikum bei dsp. Um dieses und den Sport optimal kombinieren zu können, absolvierte ich das Praktikum in Teilzeitpensum (70%). Ich fand erstaunlich schnell in einen Rhythmus, sodass die Wochen im Büro und mit dem Training vorbeiflogen.

Im Wintertraining absolvierte ich pro Woche 13 Stunden Training, von welchen ich 9 zu Fuss unterwegs war, 1.5 auf dem Velo und 2.5 im Kraftraum. Die Schlüsseltrainings waren dabei das Intervalltraining am Mittwochabend mit dem LC Uster, die beiden OL-Trainings des nationalen Leistungszentrums sowie der Longjogg - ein langer, aber lockerer Lauf - am Freitag. Wie man sieht, habe ich als Spitzensportler eine etwas andere Vorstellung von einem Abendprogramm als Nichtsportler:innen: Eine Stunde mit der Stirnlampe in der Nacht durch den Wald zu laufen oder knapp 40 Runden auf der Laufbahn zu drehen, machen für mich einen erfolgreichen Abend aus 😉.

Auch wenn ich im Winter viel in die läuferischen Grundlagen investiert habe, war es mir wichtig, die technische Routine beim OL zu behalten und bis zum Saisoneinstieg Fortschritte zu machen. Während ich in Göteborg beinahe nach Lust und Laune OL machen konnte - Karten gab es direkt vor der Haustür -, musste ich zuhause die Gelegenheiten nutzen, die sich boten, um mit einer Karte im Wald oder in der Stadt unterwegs zu sein. Der Wechsel ins Heimgelände glückte, auch wenn ich zu Beginn nicht immer die besten Routen wählte. Denn in Schweden sind Wege Mangelware und es gibt nur wenig dichte Vegetation, weshalb es sich oft lohnt, nahe an der direktesten Linie zu laufen. Hier in Zürich hingegen muss man sich die Wege zunutze machen, auch wenn man dabei einen weiteren Weg zurücklegt; denn oft gibt es im Wald Dickichte und Brombeeren, welche das Vorankommen erschweren. Dieses Umdenken erfolgte recht schnell: Nachdem ich beim ersten Training einige Male hüfthoch in den Brombeeren stand, war ich nicht sonderlich erpicht darauf, dies jede Woche zu wiederholen.


Un peu de course d’orientation s’il-vous plaît

Wer uns OL-Läufer:innen ein wenig kennt, weiss, dass wir oft im Ausland unterwegs sind. Aber wieso eigentlich? Den Grund dafür habe ich bereits zuvor angedeutet: Das Trainings- und Wettkampfgelände ist von Region zu Region verschieden und stellt uns Läufer:innen jedes Mal vor eine neue Herausforderung. Dies ist ein grosser Teil dessen, was mich am OL so fasziniert und reizt. Aber es bedeutet auch, dass ich, um ein vielseitiger Läufer zu werden, in verschiedenen Geländetypen trainieren und Erfahrungen sammeln muss.

Und genau das stand auch diesen Winter auf dem Programm. Dank einiger Überstunden in den ersten Monaten meines Praktikums und dank Flexibilität bei der Ferienplanung konnte ich Mitte Februar und Anfang März je in ein Trainingslager verreisen. Der erste Abstecher führte mich in die Schuttkegel der Provence nördlich von Marseille. Das zweite Trainingslager fand im Felslabyrinth von Fontainebleau in der Nähe von Paris statt, wo ich eine Woche mit meinem skandinavischen Klub verbrachte. Beide Geländetypen unterscheiden sich grundlegend voneinander und noch viel mehr von meinem Heimterrain rund um Zürich. In diesen Trainingslagern ging es darum, herauszufinden, ob ich die technischen Konzepte, die ich zuhause erarbeitet und eingeübt habe, auch in neuer Umgebung umsetzen kann oder, ob ich für andere Geländetypen Anpassungen vornehmen muss. Um sich die unterschiedlichen Terrains besser vorstellen zu können, habe ich anbei Kartenausschnitte und Fotos aus dem Gelände hinzugefügt.


Saisonauftakt

Nach 1402 km Lauf- und 549 km OL-Training stehe ich nun am Start des ersten nationalen OLs. Wie ich es mir vorgenommen habe, versuche ich, schnell zu starten. Dies gelingt mir und ich finde gut in den Lauf. Ich habe das Gefühl, zügig voranzukommen, auch wenn ich mich immer wieder durchs Gestrüpp kämpfen muss. Angetrieben von diesem Gefühl versuche ich, mich ans Limit zu pushen. Offensichtlich laufe ich gegen Ende des Wettkampfes aber über meinem Limit, denn ich verfehle einen Posten, da mir der für die Kartenarbeit nötige Sauerstoff im Kopf fehlt. Trotz dieses Fehlers reicht es für den sechsten Rang, mit welchem ich zufrieden bin, auch wenn einige namhafte Läufer nicht am Start standen.


Tenue Waldgrün

Mit diesem Wettkampf ist die Wald-Saison offiziell eröffnet. Von nun an bis Mitte Juni 2025 ist das Training auf die Selektionsläufe für die erste Runde des Weltcups in Schweden ausgerichtet. Eine wichtige Rolle in dieser Vorbereitung spielt die Spitzensport-RS, die ich nach Abschluss meines Praktikums Mitte April 2025 in Magglingen beginne. Insgesamt sind wir dort knapp 70 Sportler:innen, davon sieben OL-Läufer:innen.

In den ersten drei Wochen der RS erhalten wir eine militärische Grundausbildung. Korrektes An- und Abmelden, Ruhe- und Achtungstellung, militärische Dienstgrade und Zugschule werden fleissig geübt. Zusätzlich erlernen wir die Sanitätsgrundlagen und singen jeden Morgen die Nationalhymne auf Deutsch und Französisch, damit wir sie als Sportler:innen beherrschen. Auch wenn in diesen drei Wochen das Armeeprogramm im Vordergrund steht, zeigt sich dennoch klar, dass es eine RS für Spitzensportler:innen ist: Uns wird Zeit fürs Training gegeben und es wird geschaut, dass wir zu acht Stunden Schlaf kommen.

Nach der militärischen Ausbildung folgt die sportspezifische Ausbildung. In dieser Phase haben wir Zeit, um zweimal täglich zu trainiere und es stehen auf Sportler:innen zugeschnittene Lehrblöcke auf dem Programm. Beispielsweise zu den Themen Sponsoring und Social Media. Mein persönliches Highlight ist das Medientraining. In diesem können wir das Auftreten vor der Kamera üben, müssen uns kritischen Fragen stellen und halten als Übung eine Pressekonferenz ab.

Die Zeit in der RS nutzen wir auch für einen längeren Aufenthalt in Skandinavien. Wir absolvieren ein Trainingslager in Finnland und in Schweden, um uns auf die Selektionsläufe in Kuopio (FIN) vorzubereiten. Zudem nehmen wir an der Jukola, der grössten OL-Staffel der Welt, teil, bei der über 1700 Teams an der Startlinie stehen. Der Startschuss fällt um 23 Uhr, danach läuft die Staffel durch die kurze finnische Nacht, bis die ersten Teams nach sieben Etappen und über acht Stunden Laufzeit im Ziel eintreffen. Dieser Ablauf führt zu schrägen Tagesplänen, die den Bergsteiger:innen und Skitourengängern unter den Lesenden vielleicht bekannt vorkommen. Ich beispielsweise lief die letzte Ablösung und stand um 3 Uhr auf, um zu frühstücken, in die Arena zu reisen und auf meine Strecke zu starten.
Trotz guter Vorbereitung schaffe ich es an den Selektionsläufen nicht, mich für die erste Runde des Weltcups zu empfehlen. Meine technische Routine und Sicherheit, aber auch die Physis sind noch nicht ausreichend, um in die Weltcupplätze zu laufen. Auch wenn die Qualifikation dieses Mal nicht geklappt hat, denke ich, dass diese Wochen im Norden eine wertvolle Erfahrung und eine langfristige Investition waren. Denn beinahe jedes Jahr findet eine Weltcuprunde in Skandinavien statt und auch die nächste WM im Norden ist bereits angekündigt - Schweden 2029. Mit solchen Zielen im Blick zählt jedes Training in skandinavischem Gelände, um besser zu werden.

 

Next stop: Sprintsaison

Nachdem ich nun viel im Wald unterwegs war, steht der Wechsel in die Stadt zum Sprint-OL an. Die grossen Ziele sind die Europameisterschaft in Belgien im August sowie der Weltcup in Uster im September 2025, für die ich mich qualifizieren möchte. Mehr zur Vorbereitung darauf gibt’s im nächsten Newsletter 😊.

 

dsp wünscht Pascal viel Erfolg für die Qualifikationen 💪🏻

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